Aus: „Die Kuh, die weinte“
von Ajahn Brahm
Als der Autor Ajahm Brahm als junger buddhistischer Mönch mit seinen Brüdern ein neues Kloster baute, baute er auch seine erste Mauer.
Er nahm sich viel Zeit, um alle Steine richtig auszurichten und die perfekte Mauer zu bauen.
Am Ende bemerkte er, dass zwei der Steine in der Mauer schief saßen und so für ihn die ganze Mauer verunstalteten.
Er schämte sich für diese Mauer und vermied es, mit Besuchern nur in ihre Nähe zu gehen.
Einige Zeit später ging er im Gespräch mit einem Besucher durch das Kloster und dachte gar nicht daran, wo er genau war, als er mit dem Besucher an der Mauer vorbeikam.
Der Besucher blieb stehen und bemerkte, dass dies eine sehr schöne Mauer sei. Der Mönch fragte ihn darauf verwundert, ob er denn nicht die zwei schief eingesetzten Steine sehe?
Der Besucher sagte, er sehe die Steine sehr wohl, aber auch 998 perfekt eingesetzte Steine, die diese Mauer zu einer sehr schönen Mauer machten.
Da bemerkte der Mönch, wie lange er vor lauter Gram über die zwei schiefen Steine all die anderen nahezu perfekten Steine nicht wahrgenommen hatte.
Von da an freute er sich jedes Mal, wenn er die Mauer sah. Jahre später konnte er sich nicht einmal mehr erinnern, wo die Steine in der Mauer lagen.
In vielen Situationen hilft es, an diese Mauer zu denken. Egal ob in einer Beziehung, bei einer vollbrachten Arbeit oder im Blick auf unser Leben: Viel zu oft konzentrieren wir uns auf die Kleinigkeiten, die nicht perfekt sind.
Dabei vergessen wir oft das große Ganze, das meist viel besser ist, als wir denken. Dann lohnt es sich, im Geiste ein paar Schritte zurückzutreten und „die Mauer“ erneut zu betrachten.
Meist wird man dann erkennen, dass die Wirklichkeit viel besser ist als die persönliche Wahrnehmung.